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Sorge- und Umgangsrecht unter Coronabedingungen



Anmerkung zu AG Frankfurt a. M. (Familiengericht), Beschluss vom 16.04.2020 – 456 F 5086/20 EAUGG Frankfurt/Main,

Das Umgangsrecht gehört bei getrennt lebenden Elternteilen zu den häufigsten Streitpunkten. Kumuliert mit der allgemeinen Verunsicherung aufgrund der Coronainfektionslage und fehlenden vergleichbaren gerichtlichen Entscheidungen, ist der Streit vorprogrammiert. Diese Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt war eine der ersten, die zumindest erstinstanzlich Fragen des Umgangsrechtes in der Infektionslage beantwortet.

Bemerkenswert ist desweiteren, dass aufgrund der Nichtbeachtung der Entscheidung das Gericht auch direkt am 16.4.2020 gegen die Kindesmutter Ordnungsgelder in beträchtlicher Höhe festgesetzt hat. (BeckRS 2020, 6120).

Gerichtliche Entscheidungen zum Umgangsrecht sind nur zu ändern, wenn dies aus triftigen Gründen angezeigt ist. Der Abänderungsgrund lag hier darin, dass die vom Gericht im Vorverfahren bestellte Umgangspflegerin für die Übergaben die Umgangskontakte aus Infektionsschutzgründen nicht mehr persönlich begleiten konnte. Es musste demnach eine andere Regelung getroffen werden, in diesem Fall unbegleitete Übergaben. Das Gericht hat das Interesse der Kinder und des Vaters an regelmäßigen Kontakten abgewogen mit der abstrakten Gefährdung durch eine Infektion und hat zutreffend begründet, dass das Interesse an persönlichen Kontakten überwiegt, insbesondere da Telekommunikationskontakte gerade bei kleineren Kindern einen persönlichen Kontakt nicht ersetzen können und darüber hinaus eine Einschätzung, wann mit einem Ende der Pandemielage zu rechnen sein wird, nicht möglich ist. Gerade bei kleineren Kindern und dann, wenn die Umgangsgestaltung bereits konfliktbehaftet war, kann ein Kontaktabbruch zu weiteren Belastungen der Eltern-Kind-Beziehung führen. Selbst wenn einem Kind bereits intellektuell vermittelt werden könnte, warum ein Elternteil keinen Kontakt zu ihm haben darf, so kann dies auf emotionaler Ebene dennoch zu einer Verletzung und einem Vertrauensverlust führen. Für Umgangskontakte spricht auch, wenn weder Kinder noch Eltern selbst zu einer Risikogruppe gehören. Unabhängig davon reicht die abstrakte Möglichkeit einer Infektion zum Aussetzen von Umgangskontakten nicht aus. Für die Betrachtung maßgeblich ist allein das Kindeswohl. So kann also auch die Begründung, dass Kontaktpersonen des Umgangspflichtigen zu einer besonders gefährdeten Gruppe gehören, keine Aussetzung von Umgangskontakten rechtfertigen. Umgang findet also so lange statt, wie für einen der Beteiligten nicht eine Quarantäne behördlich angeordnet ist oder eine Infektion eingetreten ist. Das BMJ hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gerichtliche Anordnungen auch in den Zeiten von Corona ihre Gültigkeit weiter behalten und Umgangskontakte weiter stattfinden sollen.

Das Gericht kann bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht betrieben werden kann, oder die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft anordnen. Gemäß § 89 Abs. 2 FamFG müssen die Verpflichteten auf die Folgen einer Zuwiderhandlung hingewiesen werden. Dieser Hinweis kann in dem den Umgang regelnden Beschluss erfolgen, er kann aber auch nachgeholt werden. (BGH FamRZ 2011, 1729).

Damit ein Ordnungsmittel festgesetzt werden kann, muss die Zuwiderhandlung schuldhaft erfolgen. An dieser Stelle setzt die Überlegung an, ob ein Elternteil, der im Hinblick auf die Infektionslage Umgangskontakte eigenmächtig aussetzt, mit Ordnungsmitteln zur Einhaltung einer gerichtlichen Regelung gezwungen werden kann. Das Gericht ist zum Ergebnis gekommen, dass das Vorbringen der Kindesmutter, sie habe die Umgangskontakte im Hinblick auf die allgemeine Infektionslage ausgesetzt, ihre Schuld nicht entfallen lässt.

Erfreulich ist die Schnelligkeit des Familiengerichtes, das angeordnete Umgangsrecht durchzusetzen. Das ist leider in den vergangenen Wochen viel zu wenig zu beobachten. Selbst wenn noch nachzuvollziehen sein mag, dass Gerichte im Hinblick auf die Infektionslage keine Termine zur mündlichen Verhandlung anberaumen, so haben sie doch bei bestehenden vollstreckbaren Umgangsentscheidungen die Möglichkeit, schnell und ohne mündliche Verhandlung Ordnungsmittel festzusetzen. Selbst wenn noch keine Umgangsentscheidungen vorliegen, so sind in den Fällen, in denen bestehende Umgangskontakte nur im Hinblick auf die Infektionslage eigenmächtig ausgesetzt werden, einstweilige Anordnungen auch ohne mündliche Verhandlung zu erlassen, oder wie hier, bestehende Regelungen anzupassen. Das würde vielen Kindern und Elternteilen die Erfahrung ersparen, wochenlang ohne Kontakt miteinander sein zu müssen.

(Die Originalanmerkung erschien in der NZFam 2020, 447)




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Almuth Zempel


Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Dipl.-Rechtspflegerin (FH)

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